Was bedeutet „Kindeswohl“?
Der Begriff Kindeswohl ist einer der zentralen Leitgedanken des deutschen Familienrechts. Er bezeichnet den Maßstab, nach dem Gerichte, Behörden und auch die Eltern selbst ihre Entscheidungen über ein Kind auszurichten haben.
Das Kindeswohl steht immer im Vordergrund, wenn es um Fragen des Umgangsrechts, des Sorgerechts oder andere Belange eines Kindes geht. Es soll sicherstellen, dass das Kind bestmöglich gefördert wird und unter Bedingungen aufwächst, die seine Entwicklung nicht gefährden.
Das Kindeswohl ist nicht starr definiert, sondern ein offener Rechtsbegriff. Das bedeutet: Gerichte müssen im Einzelfall prüfen, welche Lösung den Interessen und Bedürfnissen des Kindes am besten entspricht.
Inhaltliche Aspekte des Kindeswohls
Die Rechtsprechung hat verschiedene Kriterien entwickelt, die für das Kindeswohl von Bedeutung sind. Dazu gehören insbesondere:
- Bindungen des Kindes: enge emotionale Beziehungen zu Eltern, Geschwistern oder anderen wichtigen Bezugspersonen,
- Förderung: die Fähigkeit der Eltern, das Kind körperlich, geistig und seelisch zu fördern und seine Entwicklung zu unterstützen,
- Stabilität und Kontinuität: ein verlässliches Umfeld, das dem Kind Sicherheit und Orientierung gibt (z. B. fester Wohnort, Schulbesuch, geregelter Alltag),
- Kindeswille: je nach Alter und Reife wird die Meinung des Kindes berücksichtigt,
- Gesundheit: Schutz vor körperlicher oder seelischer Gefährdung, Gewalt oder Vernachlässigung.
Kindeswohl in gerichtlichen Verfahren
Das Kindeswohl spielt eine Rolle in nahezu allen Verfahren vor dem Familiengericht, z. B. bei:
- Sorgerechtsentscheidungen (z. B. Übertragung der alleinigen elterlichen Sorge),
- Umgangsregelungen (z. B. wann und wie häufig ein Kind den anderen Elternteil sehen soll),
- Fragen des Aufenthaltsbestimmungsrechts (z. B. Umzug mit dem Kind),
- Kinderschutzverfahren (z. B. Maßnahmen des Jugendamts bei Gefährdung).
Das Gericht hat bei allen Entscheidungen eine Abwägung der betroffenen Interessen vorzunehmen, wobei die Interessen des Kindes Vorrang vor den Wünschen der Eltern haben.
Beispiel aus der Praxis
Beispiel:
Ein Vater beantragt erweiterten Umgang mit seiner Tochter. Das Mädchen lebt überwiegend bei der Mutter, ist aber stark an beide Eltern gebunden.
Das Gericht prüft, welche Regelung dem Kindeswohl am meisten dient. Dabei berücksichtigt es:
– den Wunsch des Kindes, beide Eltern regelmäßig zu sehen,
– die praktische Umsetzbarkeit der Umgangszeiten,
– und die Bereitschaft beider Eltern, miteinander zu kooperieren.
Am Ende wird eine Umgangsregelung getroffen, die die Bindungen erhält und die Stabilität des Kindes sichert.
Kindeswohlgefährdung
Von einer Kindeswohlgefährdung spricht man, wenn das körperliche, geistige oder seelische Wohl des Kindes ernstlich beeinträchtigt oder bedroht ist (§ 1666 BGB). Beispiele sind Vernachlässigung, Misshandlung oder massive Konflikte zwischen den Eltern, die das Kind belasten. In solchen Fällen kann das Familiengericht zum Schutz des Kindes einschreiten, bis hin zum Entzug von Teilen oder der gesamten elterlichen Sorge.
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